Familienrecht - Mindestanforderungen

Verschiedene Untersuchungen haben sich mit der Fragestellung befasst, ob und inwieweit familienrechtspsychologische Gutachten wissenschaftlichen Mindestanforderungen genügen. 

Im Hinblick auf diesbzgl. familiengerichtliche Entscheidungen, insbesondere bei Sorge- und Umgangsregelungen in Relation zur Überprüfung von Kindeswohlgefährdung, die sich z.B. aus den aktenkundigen vorgeschichtlichen Bezügen hierzu ergeben, sind in diesem Zusammenhang  wesentliche gutachterliche Kriterien (s.u.) zu validieren, u.a. Bewertungen zur psychischen Ausgangslage der Kindesmutter bzw. des Kindesvaters, des verfahrensbetroffenen Kindes, zudem u.a. Beurteilungen zur Bindungstoleranz und Umgangsfähigkeit sowie zum Kindeswillen u.a. von zentraler Bedeutung. 

In diesem Zusammenhang ist auch wesentlich, dass sich die Untersuchungsfragestellungen aus den gerichtlichen Fragestellungen folgend ergeben. Eine gutachterliche Untersuchung, ohne fachlich angemessene Zugrundelegung entsprechender fachpsychologischer Arbeitshypothesen, die sich aus den gerichtlichen Fragestellungen regelmäßig ergeben müssen, offenbart wesentliche Mängel: 

Dies begründet sich dadurch, dass erst durch die präzise Ableitung psychologischer Arbeitshypothesen aus den gerichtlichen Fragestellungen  die Zielsetzung des gutachterlichen Vorgehens bestimmt und dargelegt werden können. Entsprechend ist die Ableitung und Darlegung entsprechender Arbeitshypothesen damit unabdingbar für die Planung des diagnostischen Vorgehens, zudem für die Interpretation der gutachterlichen Untersuchungsergebnisse im Befund und damit für die (valide) Beantwortung der gerichtlichen Fragestellungen von entscheidender Bedeutung (siehe u.a. Westhoff & Kluck, 2008, S. 36). 

Werden psychologische Fragen aus den gerichtlichen Fragestellungen nicht bzw. nicht hinreichend fachlich fundiert abgeleitet, dann ist nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Begutachtung geplant und durchgeführt wird (siehe auch DGPs, 2011; Westhoff & Kluck, 2014, S. 35ff.).

 

 

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Mindestanforderungen bei der Erstellung und Bewertung psychologischer Gutachten 

Die Qualität der gutachterlichen Untersuchungsvorgehensweise wird hierbei unter Zugrundelegung der nachfolgend benannten Kriterien bewertet, die hierbei in besonderem Ausmaß Schlussfolgerungen auf die Qualität der diagnostisch- methodischen Vorgehensweisen bei der familienrechtspsychologischen Begutachtung zulassen: 

Nachfolgend soll es zunächst zu einer zusammenfassenden Darlegung der Mindestanforderungen für familienrechtspsychologische Untersuchungsverfahren kommen: Die inhaltlichen Mindestanforderungen (u.a. gemäß DGPs, 2011, S.5)  an gutachterliche Untersuchungen beinhalten vor allem die Darlegung der Explorationsergebnisse, die Wiedergabe der Interaktionsergebnisse sowie der Ergebnisse aus den psychologischen Test- und Diagnostikmethoden (siehe u.a. Arbeitsgruppe Familienrechtliche Gutachten (2015) Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht. Prax Rechtspsychologie 2015:7–27; zudem u.a. DGPs, 2011, S.5).

Hierbei ist wesentlich zu beachten, dass es vielfach bei familiengerichtlichen Fragestellungen um Beurteilungen geht, die sich auf verschiedenen Ebenen abspielen. Hierbei sind nicht nur Untersuchungen auf der Ebene der verfahrensbetroffenen erwachsenen Bezugspersonen, sondern auch der verfahrensbetroffenen Kinder notwendig (u.a. Notwendigkeit der strukturierten und videografisch festgehaltenen Erhebung von Interaktionsergebnissen zur Validierung der Beziehung der Kinder zu den verfahrensbetroffenen (familiären) Bezugspersonen sowie auch zur Objektivierung etwaiger auffälliger Verhaltensmuster u.a.). 

Eine solche Untersuchungsvorgehensweise beinhaltet hierbei auch eine entsprechende Untersuchungsgrundlage, die sich im Hinblick auf die erwachsenen Bezugspersonen vergleichbar abbildet und entsprechende Abwägungen zwischen z.B. den Kindeseltern oder Kindeseltern und Pflegeeltern, je nach familiengerichtlicher Fragestellungen, einerseits und andererseits im Hinblick auf die betroffenen Kinder auch methodisch transparent möglich macht (Notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Gutachten). 

Diese sollte zudem basieren auf eine vorherige, differenzierte Diagnostik und Beurteilung der psychischen Ausgangslage der erwachsenen Bezugspersonen (zumeist Eltern oder Pflegeeltern) sowie auch hinsichtlich der verfahrensbetroffenen Kinder und sollte auch im Hinblick auf relevante Interventionsschritte hin angemessen ausgerichtet sein.
Hierbei bleibt stets notwendig, die gutachterlichen Untersuchungen auf einer fachlich fundierten und methodisch validen Untersuchungsgrundlage zugrunde zu legen. Hierzu gehört der Einsatz standardisierter psychologischer Test- und Diagnostikverfahren zum Erhalt zuverlässiger Bewertungen zur jeweiligen psychischen Ausgangslage und möglicher Diagnosen, gleichermaßen wie sich auf dieser Grundlage entsprechende Schlussfolgerungen zur (z.B.) Beziehungs-und Erziehungsfähigkeit (bzw. Umgangsfähigkeit) ableiten lassen. 
 

Mindestanforderungen bei der Erhebung von Verhaltens- und Interaktionsbeobachtungen in familiengerichtlichen Verfahren

Welchen Sinn macht der Einsatz von Interaktionsvalidierungsmethoden im Kontext familiengerichtlicher Verfahren?

Die Notwendigkeit von (strukturierten und standardisierten) Verhaltensbeobachtungen begründet sich hierbei als (valide) methodische Diagnostik deshalb, weil hierdurch der Zugang zu komplexen, qualitativen und dynamischen Aspekten, wie z.B. der Affektivität eines Kindes und dessen sozialer Kommunikationsfähigkeit objektiv und valide ermöglicht (sowie die Beurteilung der Umgangsfähigkeit) – (siehe u.a. Greve, W., & Wentura, D. 1995; zudem u.a. auch in auch Westhoff & Kluck, 2008; 2014).

Über eine standardisierte Interaktionsdiagnostik werden zudem verschiedene Ebenen in den z.B. (Pflege-)Eltern bzw. - Kind-Interaktionen zugänglich gemacht, indem das kindliche – entwicklungspsychologisch determinierte – kommunikative Verhalten in Bezug zu setzen ist zur Pflege-bzw. großelterlichen – auf das Kind bezogenen – Interaktionen und dies hinsichtlich der Qualität, der Quantität, der Dynamik und Performanz einzelner Verhaltensweisen in (kausalen) Zusammenhang gesetzt werden können. 

Am Beispiel der Interaktionsbeobachtungen, hierbei sind beobachtete und bewertete Spielsituationen zwischen dem Kind und seinen familiären Bezugspersonen gemeint, stellen sich die Fragen, wie auf dieser Grundlage Einschätzungen zum Bindungs- und Beziehungsverhalten valide erfolgen können, ohne hierbei entsprechende Aufzeichnungen vorzunehmen sowie entsprechende, hierfür vorgesehene Interaktionsvalidierungsinstrumente anzuwenden.

Welche Fragen stellen sich hierbei konkret?

Bei der Erhebung von Interaktionsbeobachtungen im familienrechtlichen Begutachtungskontext können sich vielfach Fehlerquellen in der Ergebniserhebung und Einschränkungen in den hierauf basierenden Entscheidungen für die gerichtliche Entscheidungsfindung ergeben. Diese zeigen sich insbesondere durch einen fehlenden Einsatz strukturierter und videografisch festgehaltener Interaktions- und Verhaltensbeobachtungen begründet. Hierbei ist von wesentlicher Bedeutung, dass im Rahmen der Verhaltensbeobachtung prinzipiell Beobachtungsfehler, wie Haloeffekte, Milde- oder Strengefehler, Tendenz zu Extremurteilen etc., auftreten können, weshalb die Anwendung von Codierungssystemen notwendig wird (siehe u.a. Balloff, 1998, S. 11).

Hierbei ist wesentlich zu beachten, dass bei der (gutachterlichen) Erhebung von Interaktions- und Verhaltensbeobachtungen eine Systematisierung durch Verwendung hierfür vorgesehener, entsprechender Interaktionsvalidierungsmethoden von wesentlicher Bedeutung ist, weil ansonsten – sprich bei rein subjektiver Beobachtung und Bewertung der Kontakte deren Objektivität, Reliabilität und Validität erheblich eingeschränkt ist. 

Ohne Anwendung eines entsprechendes Interaktionsvalidierungsinstruments kann zudem nicht transparent dargelegt bzw. ersichtlich werden, unter welcher Zielsetzung das Verhalten zwischen den jeweiligen Bezugspersonen und dem verfahrensbetroffenen Kind beobachtet wurde (Hierbei sind Angaben darüber, welche Aspekte des Verhaltens zu welchem Zweck beobachtet bzw. beurteilt worden sind, gemeint) – siehe auch u.a. Westhoff & Kluck, 2014.) 

Aus diesen Erläuterungen wird ersichtlich, dass die Erhebung von Interaktionsergebnissen komplex ist und verschiedene Interaktionsebenen miteinander in Beziehung gesetzt werden müssen (Belsky, 1981; Kreppner, 1984).

Im Hinblick auf die Erhebung von Interaktions- und Verhaltensdaten im Kontext von familiengerichtlichen Fragestellungen oder bei der Validierung erstgutachterlicher Untersuchungsergebnisse bedeutet dies, dass das kindliche Verhalten in Bezug zu den elterlichen bzw. Verhaltensweisen der familiären Bezugspersonen und umgekehrt in (kausalen) Zusammenhang gesetzt werden muss. Das Verhalten eines Kindes ist zudem vor dem Hintergrund der (erreichten) entwicklungsbezogenen Ausgangslage zu bewerten, gleichermaßen wie die hierauf bezogenen elterlichen bzw. Interaktionsverhaltensmuster der familiären Bezugspersonen entsprechend vor dem Hintergrund einer Bewertung der jeweiligen Beziehungs- und Erziehungsfähigkeit vorgenommen werden müssen. 

Verhaltensmuster eines Kindes zu seinen elterlichen bzw. familiären Bezugspersonen und umgekehrt lassen sich hierbei insbesondere ableiten auf der Grundlage kommunikativer Verhaltensweisen, wie auf das Kind bezogener verbaler und nonverbaler Verhaltensmuster und umgekehrt. Eine Bewertung dieser Interaktionsverhaltensweisen muss dabei die Qualität, Quantität, Dynamik und Performanz dieser Interaktionsprozesse erfassen und bewerten (z.B. Spinath & Becker, 2011; Gehrau, 2002; Schaller, 1999). 

Diese kann nicht, wie häufig in Erstgutachten ersichtlich werdend, allein auf subjektiver Beobachtungsweise fußen und hierauf können nicht hinreichend valide Schlussfolgerungen für die gerichtlichen Fragestellungen erfolgen.

Die Interaktions- und Verhaltensdiagnostik bei der Validierung von Eltern (oder Pflegeeltern/ Großeltern)-Kind-Beziehungen ist die grundlegende Methode hierbei: Erst durch die bei Interaktionsvalidierungsmethoden zugrunde gelegte sowie transparente Kriterienstruktur, d.h. der Darlegung der zu beobachtenden und bewertenden Aspekte innerhalb einer Interaktionssituation zwischen verschiedenen Beteiligten, werden Aussagen zu den jeweiligen Einflussfaktoren und zu den zugrunde liegenden Wechselwirkungen, hier auch mit Blick auf personenspezifische Variablen, erst (valide) möglich (siehe u.a. Thiel, 2011; zudem u.a. Westhoff & Kluck, 2014). 

Aus diesen fachbezogenen Erläuterungen wird ersichtlich, dass es sich bei der wissenschaftlichen Beschreibung und möglichst objektiven Abbildung von Eltern-Kind-Interaktionen, um hoch komplexe und dynamische Vorgänge handelt (siehe u.a. Kötter & Nordmann, 2003; Sidor, 2012 und Weinberg & Tronick, 1998; Westhoff & Kluck, 2014). 

Mindestanforderungen