Agnosie

Agnosie w [von griech. agnosia = Unkenntnis], E agnosia, teilweise oder vollkommene modalitätsspezifische Unfähigkeit, sensorische Reize wahrzunehmen. Agnosien können als eine spezifische Amnesie interpretiert werden und sind nicht erklärbar durch die Schädigung eines Sinnesorgans, eingeschränkte Wachheit oder intellektuelle Defizite. Ursachen sind vielmehr Läsionen spezifischer Hirnareale (meist corticale Rindenfelder). Von den verschiedenen Sinnen ist in der Regel nur einer in einer spezifischen Weise betroffen; deshalb wird eine Vielzahl einzelner Formen der Agnosie unterschieden (  siehe Tab. ), wobei die Eigenständigkeit objektbezogener Unterformen (z.B. Spiegelagnosie, Uhrzeitagnosie) meist fragwürdig und deshalb umstritten ist, so daß sie nun häufig zu anderen Störungsformen gerechnet werden (z.B. räumliche Agnosie). Mitunter wurde der Begriff Agnosie unkritisch erweitert, indem z.B. die Modalitätsspezifität aufgegeben wurde. Auch Tiere können agnostisch werden. – Eine korrekte Diagnose einer Agnosie setzt mehrere Umstände voraus: 1) Der Patient weist keine Einbuße der Sinnesleistungen auf. 2) Die sensorische Exploration und die für das Erkennen grundsätzlich erforderlichen kognitiven Leistungen müssen vorhanden und intakt sein. 3) Das Defizit darf nicht Teil einer globalen Erkennungsstörung sein; z.B. muß ein Patient mit einer visuellen Agnosie das Objekt mit dem Tastsinn identifizieren können. 4) Die Störung darf nicht durch eine Beeinträchtigung des Benennens bzw. der Beschreibung des Objekts erklärbar sein (wie z.B. bei einer optischen Aphasie). – Bei auditorischen Störungen spricht man gelegentlich auch von Seelentaubheit, bei visuellen von Seelenblindheit.

 

Lit.: Damasio, A.R., Tranel, D., Damasio, H.: Disorders of Visual Recognition. In: Frederiks, J.A.M. (Hrsg.): Handbook of Clinical Neurology, Bd. 2. Amsterdam 1989, S. 317-332. Farah, M.J.: Visual Agnosia. Cambridge/Mass. 1990. Warrington, E.K.: Agnosia: The Impairment of Object Recognition. In: Frederiks, J.A.M. (Hrsg.): Handbook of Clinical Neurology, Bd. 1. Amsterdam 1988, S. 333-349.