Eric Kandel: Wie das Gehirn sich erinnert

„Das Gehirn ist das Organ des Geistes“
Eric Kandel

Der Neurowissenschaftler Eric Kandel hat wie kaum ein anderer unsere Vorstellung davon verändert, wie Erinnerungen entstehen und wie Lernen im Gehirn funktioniert. Als Sohn jüdischer Eltern 1929 in Wien geboren, musste er vor den Nationalsozialisten fliehen. In den USA wurde er später nicht nur Arzt, sondern auch einer der einflussreichsten Hirnforscher des 20. Jahrhunderts – und Nobelpreisträger.

Kandel wollte verstehen, wie Gedanken und Erinnerungen im Gehirn entstehen. Die zentrale Frage lautete: Wie verändert Lernen die Struktur des Gehirns? Die Antwort suchte er bei einem ungewöhnlichen Tier: der Meeresschnecke Aplysia californica. Warum? Weil sie nur wenige, aber sehr große Nervenzellen hat – ideal zum Forschen.

In seinen Experimenten konnte Kandel zeigen, dass Lernen auf Veränderungen an den Synapsen basiert – den Kontaktstellen zwischen Nervenzellen. Kurzfristiges Lernen verändert die chemische Übertragung, während langfristiges Lernen sogar zu neuen Verbindungen zwischen Nervenzellen führen kann.

„Gedächtnis ist nicht etwas, das man hat – es ist etwas, das das Gehirn tut.“
Eric Kandel

Das war revolutionär: Gedanken, Erinnerungen und sogar Persönlichkeit – alles tief biologisch verwurzelt. Kandels Arbeit zeigte, dass das, was wir als „Psyche“ bezeichnen, ein Produkt physikalischer Prozesse im Gehirn ist. Erfahrungen formen buchstäblich unser Gehirn.

Kandel war dabei immer mehr als ein nüchterner Wissenschaftler. Er betonte die Verbindung von Geist und Naturwissenschaft, von Philosophie und Biologie. In seinem Buch „Auf der Suche nach dem Gedächtnis“ erzählt er eindrucksvoll von seiner Reise: von Wien über den Holocaust bis zu seinen Laboren an der Columbia University in New York.

„Die Neurowissenschaften geben uns heute die Möglichkeit, das uralte Rätsel des menschlichen Bewusstseins naturwissenschaftlich zu erforschen.“
Eric Kandel

Mit seiner Forschung hat Eric Kandel gezeigt, dass Lernen buchstäblich Spuren im Gehirn hinterlässt. Und er hat die Neurowissenschaften in den Mittelpunkt gerückt – nicht nur der Medizin, sondern auch der Kultur- und Geisteswissenschaften.