Angststörungen – Psychopathologie, Klassifikation und Begutachtungsrelevanz

Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit. Die Lebenszeitprävalenz liegt nach epidemiologischen Studien zwischen 14 % und 29 % (Wittchen & Hoyer, 2011). Sie treten häufig in komorbider Form auf – insbesondere in Verbindung mit anderen Angststörungen, affektiven Störungen (v. a. Depressionen), somatoformen Störungen, substanzbezogenen Störungen und Persönlichkeitsstörungen.


 

Klassifikation

In der aktuellen ICD-11 (Kapitel 06) und im DSM-5-TR (APA, 2022) werden Angststörungen als eigenständige diagnostische Gruppe klassifiziert. Beide Systeme definieren Angststörungen durch das Vorliegen intensiver, überdauernder und situationsunangemessener Angstreaktionen, die mit einem erheblichen Leidensdruck und/oder einer klinisch relevanten Beeinträchtigung der psychosozialen Funktionsfähigkeit einhergehen.

Zu den häufigsten Störungsbildern zählen:


 

Psychologische Charakteristik

Angst ist eine evolutionär sinnvolle, adaptive Reaktion auf reale Bedrohungen. Sie dient dazu, den Organismus auf eine „Fight-or-Flight“-Reaktion vorzubereiten – durch vegetative Aktivierung (z. B. Tachykardie, Schwitzen, Hyperventilation) sowie kognitive Alarmreaktionen (z. B. erhöhte Vigilanz, Vermeidungsverhalten).

Bei pathologischer Angst sind diese Reaktionen übersteigert, nicht realitätsgerecht oder treten ohne reale Gefahr auf. Die betroffenen Personen erleben die Angst nicht mehr als kontrollierbar, was häufig zu Vermeidungsverhalten, sozialem Rückzug, Leistungseinbußen und sekundären Affektdynamiken (z. B. Scham, Hilflosigkeit) führt.

 


Diagnostische Kriterien (DSM-5-TR & ICD-11)

Eine Angststörung wird diagnostiziert, wenn folgende Kernmerkmale vorliegen:


Begutachtungsrelevanz

In psychologischen Fachgutachten – etwa zur Beurteilung von Berufsunfähigkeit, Erwerbsminderung oder im Rahmen von Unfallfolgen – ist eine differenzierte psychopathologische Einschätzung erforderlich. Im Fokus stehen dabei:


Diagnostische Verfahren

Die Begutachtung erfolgt idealerweise durch Kombination von:


 

 

Prognose und Behandlung

Angststörungen sind grundsätzlich gut behandelbar, insbesondere mittels:

Wichtig ist jedoch die frühzeitige Diagnose – da viele Betroffene keine oder erst spät eine adäquate Behandlung erhalten. Verzögerte oder unterlassene Interventionen erhöhen das Risiko für Chronifizierung und sozial-berufliche Desintegration.

 

 

Psychologische Fachgutachten bei Angststörungen

In unserem Institut bieten wir auch die gutachterliche Beurteilung der psychischen Ausgangslange, sprich auch bezogen auf eine Angststörung, hinsichtlich der Beantwortung verschiedener rechtlicher Fragestellungen, an. 

Die gutachterliche Beurteilung der Angststörung erfordert Fachexpertise, ist für verschiedene Rechtsgebiete regelmäßig indiziert, so z.B. bei der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit in versicherungsrechtlichen Verfahren. Die Beurteilung der Angststörung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die berufliche Angststörung setzt fundiertes Störungswissen sowie die Fähigkeit zur Einzelfallbeurteilung voraus.