Entscheidungen im Erbrecht

Wirksamkeit einer Testamentsänderung

Bestimmt ein Erblasser, dass zum Kreis der gesetzliche Erben zählende Personen lediglich ihren Pflichtteil erhalten sollen, lässt dies grundsätzlich auf eine Enterbung jener Personen schließen. Hat ein Erblasser mehrere gemeinschaftliche und - u.a. nach dem Ableben 

BGH-Beschluss v. 29.06.22, IV ZR 110/21- Erbrechtsverfahren: BGB § 2314 Abs. 1; EUERBVO ART. 35; ADOPTG ART. 12 § 2 ABS. 2

Die Anwendung des gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gewählten englischen Erbrechts verstößt jedenfalls dann gegen den deutschen ordre public im Sinne von Art. 35 EuErbVO, wenn sie dazu führt, dass bei einem Sachverhalt mit hinreichend starkem Inlandsbezug kein bedarfsunabhängiger Pflichtteilsanspruch eines Kindes besteht.

Erbrecht im Adoptionsfall

Die Anwendung des gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gewählten englischen Erbrechts verstößt jedenfalls dann gegen den deutschen ordre public im Sinne von Art. 35 EuErbVO, wenn sie dazu führt, dass bei einem Sachverhalt mit hinreichend starkem Inlandsbezug kein bedarfsunabhängiger Pflichtteilsanspruch eines Kindes besteht.

Geschäftsunfähigkeit bei psychischer Erkrankung

OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.09.2009 - 4 U 124/04
Wer sich auf fehlende Geschäftsfähigkeit beim Verkauf eines Grundstücks beruft, muss den vollen Nachweis der Aufhebung der freien Willensbestimmung für den Zeitpunkt des Kaufvertrages erbringen. Eine langjährige chronische Schizophrenie lässt im Regelfall noch nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass die freie Willensbestimmung zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit aufgehoben war. Vielmehr kommt es auch bei einer chronischen Schizophrenie in der Regel auf die konkrete Ausprägung der psychopathologischen Symptomatik zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an. 

Zur Substantiierung einer behaupteten Geschäftsunfähigkeit

BGH (VI. Zivilsenat), Beschluss vom 14.03.2017 - VI ZR 225/16
Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung gemäß § 104Nr. 2 BGB liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Dies ist der Fall, wenn infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen.Substantiiert dargelegt ist ein Ausschluss der Willensbildung, wenn das Gericht auf der Grundlage des Parteivorbringens zu dem Ergebnis kommen muss, die Voraussetzungen des § 104Nr. 2 BGB lägen vor. Auf die Wahrscheinlichkeit des Vortrags kommt es nicht an.

Feststellungslast bei phasenweiser Testierunfähigkeit des Erblassers

OLG Jena, Beschluss vom 4. 5. 2005 - 9 W 612/04
BGB § 2229 Abs. 4, § 2247 Abs. 5

Im Erbscheinsverfahren trägt grundsätzlich derjenige die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit als eine das Erbrecht vernichtende Tatsache, der sich auf die Unwirksamkeit eines Testaments beruft. Ist jedoch das Testament nicht datiert und auch nicht auf Grund sonstiger Umstände datierbar, trifft die Feststellungslast denjenigen, der Rechte hieraus für sich in Anspruch nimmt, wenn feststeht, dass der Erblasser zu irgendeinem Zeitpunkt während des in Betracht kommenden Zeitraums der Testamentserrichtung testierunfähig war, § 2247Abs. 5 BGB analog.

Testierunfähigkeit

KG, Beschl. v. 25.7.2024 – 19 W 76/23 (AG Charlottenburg Beschl. v. 10.3.2023 – 61 VI 1238/20)
Testierunfähigkeit: § 2229 Abs. 4 BGB
Testierfähigkeit setzt voraus, Bedeutung der letztwilligen Verfügung sowie deren Tragweite und Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu erkennen, und die Fähigkeit, die Gründe für und gegen die Anordnungen vernünftig abzuwägen und frei von Einflüssen interessierter Dritter zu entscheiden (iA an BGH Urt. v. 20.6.1984 – IVa ZR 206/82; BayObLG Beschl. v. 2.10.2002 – 1Z BR 86/02; OLG Rostock Beschl. v. 5.6.2009 – 3 W 47/09; OLG München Beschl. v. 14.8.2007 – 31 Wx 16/07). 

Testierunfähigkeit bei Alzheimer-Demenz

OLG Hamm (10. Zivilsenat), Beschluss vom 29.05.2024 – 10 W 8/23
BGB § 2229 Abs. 4, § 2267, § 2268 Abs. 1, § 2077

Es gibt keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit. Die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz. Bei einer fortschreitenden mittelschweren Demenz, die degenerativer und nicht nur vaskulärer Art ist, liegt die Annahme einer eingeschränkten Einsichtsfähigkeit iSv § 2229 Abs. 4 BGB im Regelfall nahe. Ein luzides Intervall ist praktisch ausgeschlossen. 

BGH über Einwilligungsvorbehalt bei ungewisser Geschäftsunfähigkeit

BGB §§ 1901 Abs. 3 S. 1, 1903 Abs. 1 S. 1

Allein die Unsicherheit darüber, ob der Betroffene geschäftsunfähig ist, vermag die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in Vermögensangelegenheiten nicht zu rechtfertigen. Gemäß § 1903 Abs. 1 S. 1 BGB ordnet das BetreuungsG an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. 

Nicht jede Demenz macht Testament unwirksam

Auch eine an Demenz erkrankte Person kann noch in der Lage sein, ein Testament wirksam zu errichten. Hievon geht das LG Frankenthal regelmäßig aus, wenn die Erkrankung sich noch in einem leichtgradigen Stadium befindet.

Entscheidend ist für das Gericht, ob die betreffende Person die Tragweite ihrer Anordnungen trotz ihrer Erkrankung noch klar beurteilen kann und in der Lage ist, frei von Einflüssen Dritter zu entscheiden. Das LG unterscheidet dazu zwischen leichtgradiger, mittelschwerer und schwerer Demenz und geht bei einem leichten Grad in der Regel davon aus, dass die Person noch testierfähig ist.

Umfang der Aufklärungspflichten des Nachlassgerichts

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4.11.2013 – I-3 Wx 98/13
BGB § 2229 IV; FamFG § 26

Besteht kein Anhalt dafür, dass beim Erblasser von ärztlicher Seite eine geistige Erkrankung (hier: Demenz) festgestellt worden oder er wegen in diese Richtung weisender Krankheitssymptome jemals behandelt worden ist, so ist für amtswegige Aufklärungsmaßnahmen im Hinblick auf eine aus einer solchen Erkrankung (Demenz) herzuleitende Testierunfähigkeit des Erblassers kein Raum.

Zur Beweiswürdigung bezüglich der Geschäftsunfähigkeit wegen Demenz

OLG Hamm, Urt. v. 13. 7. 2021 – 10 U 5/20 (mit Anm. Keim)Zur Beweiswürdigung bezüglich der Geschäftsunfähigkeit wegen Demenz 
BGB § 104 Nr. 2; BeurkG § 11

Den Aussagen von Personen, die wie hier der Notar, der einen Erbverzichtsvertrag beurkundet hat, zur Zeit der Vornahme des in Rede stehenden Rechtsgeschäfts mit der betroffenen Person in bloßem sozialem Kontakt standen, ist mangels fachlicher Qualifikation zur Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB grundsätzlich kein besonderer Beweiswert zuzumessen.