Bipolare Störung – Klassifikation, Symptomatik und neuropsychologische Relevanz
Die bipolare Störung ist eine affektive Erkrankung mit episodischem Verlauf, die sich durch wiederkehrende manische, hypomanische, depressive und teilweise gemischte Episoden auszeichnet. Sie gehört zur Gruppe der Mood Disorders und ist gekennzeichnet durch instabile Stimmungslagen, Affektlabilität, Antriebsveränderungen sowie häufig auch durch persistierende kognitive Beeinträchtigungen.
Klassifikation nach ICD-11 und DSM-5-TR
In der ICD-11 ist die bipolare Störung unter: Bipolar or related disorders klassifiziert. In der DSM-5-TR erfolgt die Gliederung unter Bipolar and Related Disorders. Beide Systeme differenzieren:
- Bipolare Störung Typ I (mindestens eine ausgeprägte manische Episode, evtl. mit depressiven Episoden),
- Bipolare Störung Typ II (mindestens eine depressive und eine hypomanische Episode, aber keine Manie),
- Zyklothyme Störung (chronisch instabile Stimmungslage mit zahlreichen subsyndromalen Hypomanien und Depressionen über mindestens 2 Jahre
Affektive und kognitive Symptomatik
Die Erkrankung ist nicht auf die affektive Symptomatik beschränkt. Viele Betroffene zeigen auch dauerhafte neuropsychologische Defizite, die das psychosoziale Funktionsniveau wesentlich beeinträchtigen – selbst in phasenfreier (euthymer) Stimmungslage.
Typische Symptome:
- In manischen Phasen: gesteigerte Aktivität, Ideenflucht, vermindertes Schlafbedürfnis, Risikoverhalten, Impulsivität.
- In depressiven Episoden: Antriebslosigkeit, Grübeln, kognitive Verlangsamung, Konzentrationsstörungen, „Pseudodemenz“.
- Kognitiv (episodenübergreifend): Defizite in Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, exekutiven Funktionen und Verarbeitungsgeschwindigkeit.
Kognitive Störungen sind bei vielen Patient:innen unabhängig von akuten Phasen und beeinflussen maßgeblich Berufsleben, soziale Teilhabe und Krankheitsverlauf.
Neuropsychologische Persistenz und Endophänotyp
Metaanalysen belegen, dass kognitive Dysfunktionen bei vielen Patient:innen nicht nur phasenabhängig, sondern episodenübergreifend und stabil auftreten (Martinez-Aran et al., 2007; Baune & Malhi, 2015).
Diese Beeinträchtigungen betreffen insbesondere exekutive Funktionen, verbales Gedächtnis, Aufmerksamkeitssteuerung und psychomotorische Geschwindigkeit.
Zudem wurden ähnliche – wenngleich mildere – neurokognitive Profile bei nicht erkrankten Verwandten ersten Grades beobachtet, was auf einen möglichen Endophänotyp hindeutet (Arts et al., 2008).
Auswirkungen auf psychosoziales Funktionsniveau
Längs- und Querschnittstudien belegen den starken Einfluss kognitiver Defizite auf berufliche Wiedereingliederung, Bildungsniveau, soziale Beziehungen und Lebensqualität. Diese Einflüsse bestehen unabhängig vom affektiven Symptomstatus und gelten als Prädiktoren für:
- Erhöhtes Rezidivrisiko,
- geringere Therapieadhärenz,
- frühzeitige Berentung,
sozialen Rückzug,
Psychologische Fachgutachten bei bipolarer Störung
Die gutachterliche Beurteilung der bipolaren Erkrankung bei rechtlichen Fragestellungen aus verschiedenen Rechtsgebieten stellt eine häufige Aufgabe im Kontext der gerichtlichen Sachverständigenarbeit dar. Diese ist im Sinne einer Einzelfallvalidierung einzuordnen. Es geht dabei um den sehr konkreten Einzelfall im Kontext einer bipolaren Erkrankung sowie der dadurch ausgelösten Symptomatik und Beurteilung der Auswirkungen hinsichtlich der jeweiligen Rechtsfrage. Die Notwendigkeit zur Beurteilung der bipolaren Störung ergibt sich z.B. für Gerichte regelmäßig bei Fragestellungen zur Geschäftsfähigkeit.
Über das Kontaktformular können Sie Ihre Anfrage zur Erstellung von psychologischen Fachgutachten rund um die bipolare Störung und ihrer Auswirkungen für das jeweilige Rechtsgebiet an uns senden. Ihre Anfrage wird in der Regel binnen eines Werktages beantwortet.