Posttraumatische Belastungsstörung

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, ICD-10: F43.1): 

Diagnostik, Symptomatik und dienstrechtliche Relevanz
 Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine gravierende psychische Erkrankung, die infolge einer Konfrontation mit einem extrem bedrohlichen oder katastrophalen Ereignis auftreten kann. Im Klassifikationssystem der ICD-10 ist sie unter dem Code F43.1 aufgeführt. Charakteristisch für die PTBS sind unter anderem anhaltendes Wiedererleben (Intrusionen), vegetative Übererregung, emotionale Abstumpfung sowie Vermeidung von mit dem Trauma assoziierten Reizen. Diese Störung kann sowohl in zivilem als auch in beruflichem Kontext schwerwiegende Auswirkungen haben - insbesondere in Berufen mit hoher Verantwortung und Entscheidungsgewalt. Der folgende Beitrag beleuchtet neben den diagnostischen und therapeutischen Grundlagen insbesondere die dienstrechtlichen Implikationen am Beispiel einer Richterin, die infolge eines traumatischen Verlusts eine PTBS entwickelte.

 

Diagnosekriterien gemäß ICD-10: F43.1

Eine Diagnose im Sinne des ICD-10-Kriteriums F43.1 wird gestellt, wenn über einen Zeitraum von mehr als einem Monat folgende Symptomgruppen bestehen:
 

Ätiologie und Pathophysiologie


Auf neurobiologischer Ebene zeigen sich bei PTBS-Betroffenen eine Hyperaktivität der Amygdala, eine Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) sowie funktionelle Veränderungen im präfrontalen Kortex und Hippocampus. Diese Areale sind zentral für die emotionale Bewertung, die Angstkonditionierung und die Kontextualisierung von Erinnerungen.

 

Fallbeispiel: Eine Richterin im Spannungsfeld von Trauma und Dienstpflicht

Patientin: Frau B., 39 Jahre alt, Richterin am Amtsgericht
Frau M. war zum Zeitpunkt des Traumas in ihrer richterlichen Tätigkeit mit Strafsachen betraut. Während eines privaten Wochenendausflugs kam es zu einem schweren Verkehrsunfall, bei dem ihre engste Freundin - die ebenfalls im Fahrzeug saß - schwer verletzt wurde und noch am Unfallort verstarb. Frau M. war als Beifahrerin Zeugin der dramatischen Reanimationsversuche und des finalen Versterbens ihrer Freundin, ohne eingreifen zu können. Diese massive Ohnmachtserfahrung bildete den Ausgangspunkt einer intensiven posttraumatischen Belastungsreaktion.
In den Wochen und Monaten nach dem Ereignis entwickelte Frau M. eine ausgeprägte PTBS-Symptomatik: Albträume, intrusive Bilder, emotionale Abstumpfung, eine ausgeprägte Vermeidung des Straßenverkehrs sowie eine zunehmende soziale Isolation. Entscheidungsunsicherheiten, Reizbarkeit und verminderte kognitive Leistungsfähigkeit führten zu einem deutlichen Leistungsabfall im Dienst.
 

Dienstrechtliche Konsequenzen

Aufgrund der anhaltenden psychischen Beeinträchtigungen wurde Frau B. durch ein ärztliches Gutachten zunächst vorübergehend dienstunfähig im Sinne des § 44 BBG erklärt. Dieser Paragraph sieht die Möglichkeit vor, Beamtinnen und Beamte von der Dienstausübung zu entbinden, wenn eine Erkrankung - hier die diagnostizierte PTBS - die Erfüllung dienstlicher Kernaufgaben dauerhaft oder temporär erheblich beeinträchtigt.
In der richterlichen Tätigkeit bedeutet dies insbesondere, dass Unparteilichkeit, emotionale Kontrolle und Urteilsfähigkeit nicht zuverlässig gewährleistet sein dürfen.
 

Therapie und Verlauf

Frau B. wurde einer traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie (TF-KVT) zugeführt, ergänzt durch EMDR und eine medikamentöse Stabilisierung mittels SSRI in der Akutphase. Der Therapieplan beinhaltete auch die berufliche Reintegrationsvorbereitung, unter anderem durch gestufte Belastungserprobungen und Supervision.
Im weiteren Verlauf konnte eine partielle Wiederaufnahme der Tätigkeit erfolgen, zunächst in einer entlasteten Funktion im Zivilbereich, begleitet durch therapeutische Begleitung.


Therapeutische Zugänge zur PTBS

Die moderne Behandlung der PTBS basiert auf mehreren evidenzgestützten Verfahren: - Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT)
- EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing)
- Narrative Expositionstherapie

- Psychodynamisch fundierte Verfahren mit strukturierender Stabilisierung
- Pharmakotherapie mit SSRI
 

Fazit


Die posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) ist eine tiefgreifende psychische Erkrankung mit potenziell langanhaltenden beruflichen und sozialen Folgen. Im dargestellten Fall zeigt sich exemplarisch, wie ein einzelnes, extrem belastendes Erlebnis zur Dienstunfähigkeit in einem hochverantwortlichen Berufsfeld führen kann. Durch frühzeitige Diagnostik, differenzierte psychotherapeutische Interventionen und ein strukturiertes dienstrechtliches Vorgehen kann jedoch in vielen Fällen eine Rückkehr in die berufliche Tätigkeit erreicht werden.

 

 

Stress im Kopf

Stressbedingte Erkrankungen zählen weltweit zu den häufigsten gesundheitlichen Belastungen. In einer Gesellschaft, die zunehmend von Komplexität, Geschwindigkeit und Unsicherheiten geprägt ist, hat chronischer Stress einen massiven Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheit.

Vor allem die Beschaffenheit der Stressoren sowie die Möglichkeit, mit ihnen aktiv umzugehen, haben sich grundlegend verändert. Viele Menschen sehen sich heute ständiger Planungsunsicherheit und mangelnder Kontrolle ausgesetzt – Bedingungen, die auf Dauer zu psychischer und physischer Überforderung führen können. Erschöpfungssymptome sind die Folge.

 

Stresserfahrungen beeinflussen den ganzen Körper

Dauerhafter Stress wirkt sich nicht nur auf die Psyche, sondern auf den gesamten Körper aus. Er gilt als Schlüsselrisikofaktor für psychische Erkrankungen wie Depression oder posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). In der Europäischen Union sind jährlich mehr als 160 Millionen Menschen von psychischen Störungen betroffen – ihre Behandlung stellt eines der drängendsten Gesundheitsprobleme unserer Zeit dar.

Gleichzeitig fördert chronischer Stress auch die Entwicklung metabolischer Erkrankungen wie Adipositas und Typ-2-Diabetes. Beide Krankheitsbilder haben weltweit epidemische Ausmaße angenommen: 650 Millionen Menschen leben derzeit mit Adipositas, über 420 Millionen mit Diabetes.

Besonders bedeutsam ist der enge Zusammenhang zwischen psychischen und metabolischen Erkrankungen.

So leiden viele Menschen mit Depression zusätzlich an Stoffwechselstörungen – und umgekehrt ist auch das Risiko für psychische Erkrankungen bei Diabetespatient:innen deutlich erhöht. Dieser bidirektionale Zusammenhang weist auf gemeinsame neurobiologische und hormonelle Mechanismen hin, die in der Stressverarbeitung eine zentrale Rolle spielen.

Angesichts dieser Überschneidungen ist es von großer Bedeutung, die gemeinsamen molekularen Grundlagen stressbedingter psychischer und körperlicher Erkrankungen besser zu verstehen – nicht zuletzt, um wirksamere präventive und therapeutische Strategien zu entwickeln.

Was in Gehirnen von Traumapatienten passiert

Wenn ein früherer Soldat das Knallen eines Feuerwerks hört, geht er möglicherweise instinktiv in Deckung – obwohl er rational weiß, dass es sich nur um eine harmlose Rakete handelt und nicht um eine Explosion im Gefecht. Dieses Verhalten ist typisch für Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS): Sie erleben den ursprünglichen Schrecken immer wieder, als fände er nicht in der Vergangenheit, sondern im gegenwärtigen Moment statt.

Ein Forschungsteam der Universität Yale und der Icahn School of Medicine am Mount Sinai hat untersucht, was sich bei Betroffenen während solcher Reaktivierungen im Gehirn abspielt. Mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) analysierten die Forschenden die Hirnaktivität von 28 Patient*innen mit PTBS, während ihnen eigene, zuvor aufgezeichnete Erinnerungen vorgespielt wurden – darunter neutrale, traurige und traumatische.

Die Ergebnisse zeigen: Beim Anhören trauriger Erinnerungen – etwa dem Verlust eines Angehörigen – war der Hippocampus aktiv, ein Hirnareal, das Erlebtes strukturiert, zeitlich einordnet und im autobiografischen Gedächtnis verankert. Wurden dagegen traumatische Erinnerungen abgespielt – etwa zu sexualisierter Gewalt, Kriegserlebnissen oder Terroranschlägen – blieb der Hippocampus erstaunlich inaktiv.

Stattdessen wurden Hirnbereiche aktiviert, die typischerweise mit unmittelbarer Gegenwart, nicht mit Erinnerung, verknüpft sind – vor allem der posteriore cinguläre Kortex.

Dieser Bereich ist normalerweise beteiligt an Prozessen wie Tagträumen oder innerer Reflexion. Je ausgeprägter die PTBS-Symptome waren, desto stärker war die Aktivität in diesem Areal.

„Das Gehirn befindet sich bei verschiedenen Erinnerungen in unterschiedlichen Zuständen“, erklärt Neurowissenschaftlerin Daniela Schiller. „Bei normalen Erinnerungen dominiert ein Modus der Vergangenheit. Bei traumatischen Erfahrungen wird das Erlebte wie eine aktuelle Realität abgespeichert.“

 

Traumatische Erlebnisse verdrängen die Gegenwart

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass traumatische Inhalte nicht im Gehirn als abgeschlossen abgespeichert werden, sondern eher als dissoziierte Fragmente, die das Erleben der Gegenwart überlagern. Genau das mache auch die Behandlung so anspruchsvoll – aber nicht unmöglich.

In der Psychotherapie kommt häufig die Expositionstherapie (auch: Konfrontationstherapie) zum Einsatz. Die Methode setzt darauf, dass sich Betroffene wiederholt und kontrolliert mit den angstauslösenden Erinnerungen auseinandersetzen, um sie schrittweise in den autobiografischen Gedächtniskontext einordnen zu können.

„Jetzt haben wir einen neurobiologischen Hinweis, warum diese Therapieform wirksam ist“, sagt Schiller.

Der Psychiater Ilan Harpaz-Rotem von der Yale University erklärt: Die Exposition helfe dabei, ein Gedächtnis zu rekonstruieren, das im Hippocampus sinnvoll verankert werden kann. Ein Patient könne so lernen: „Ich erinnere mich – aber ich weiß, dass es jetzt nicht passiert.“

 

Ein Fall aus der Praxis

Harpaz-Rotem schildert einen Fall aus seiner Klinik: Ein ehemaliger Sanitäter wurde über Jahre hinweg von einem bruchstückhaften Bild verfolgt – wie er im Einsatz eine blutende Wunde versorgte, während um ihn herum Schüsse fielen. In der Therapie rekonstruierte er mit Unterstützung die Szene: den toten Soldaten neben ihm, das Rattern der Schüsse, seine panische Überforderung.

Ziel war es, eine kohärente, narrative Erinnerung herzustellen – eine, die als vergangenes Ereignis erkannt werden kann, ohne das aktuelle Erleben zu dominieren.

 

Neue Perspektiven – aber noch offene Fragen

Frühere PTBS-Studien konzentrierten sich vor allem auf den Hippocampus und die Amygdala – das Zentrum der Furchtverarbeitung. Der Hinweis auf eine Beteiligung des posteren cingulären Kortex eröffnet neue Blickwinkel.

Die Ergebnisse sind vielversprechend, doch es handelt sich um eine kleine Stichprobe ohne Kontrollgruppe – weitere Studien müssen folgen, um diese Befunde abzusichern.

Die Erkenntnis bleibt: Traumatische Erinnerungen sind keine gewöhnlichen Erinnerungen. Sie verändern die Art, wie das Gehirn Zeit, Realität und Sicherheit verarbeitet – und sie fordern gezielte therapeutische Antworten.

 

 

Psychologische Fachgutachten mit Schwerpunkt Psychotraumatologie

Die Beurteilung einer Traumafolgestörung in Relation zu verschiedenen Rechtsfragen stellt eine häufige Sachverständigenarbeit dar. Hierbei geht es, gleich welches Rechtsgebiet „angesprochen“ oder welche gerichtlichen Fragestellungen beantworten werden sollen, immer um den Einzelfall. Wesentlich im Fachbereich Psychotraumatologie ist die hohe Expertise für Traumafolgestörungen und ihre Auswirkungen auf die psychische Ausgangslage. Dies kann z.B. die Bereiche Arbeitsrecht wie auch Dienstrecht betreffen, wenn es um die gutachterliche Beurteilung der Auswirkungen einer Traumafolgestörung auf die berufliche Leistungsfähigkeit oder Dienstfähigkeit geht. 

Eine am Einzelfall orientierte gutachterliche Beurteilung bedeutet eine präzise Auseinandersetzung mit dem psychischen Erkrankungsbild und seiner Folgewirkungen bezogen eben auf den Einzelfall. Hierbei ist wesentlich, dass, wie die Fachliteratur und Forschung hierzu auch belegt, psychotraumatologischen Ereignisse von einer Person aufgearbeitet und im weiteren Verlauf ohne erkennbare Folgewirkungen auf die psychische Ausgangslage sich auswirkend zeigen können, gleichermaßen können jedoch bei dem anderen Menschen vergleichbare traumatische Ereignisse die psychische Ausgangslage erheblich belastet und kann dies auch zeitlich überdauern. 

 

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