VG München (12. Kammer), Beschluss vom 18.12.2015 - M 12 K 15.947
Anerkennung von Dienstunfallfolgen aus einem über vierzig Jahre zurückliegenden Dienstunfall
Normenketten:
VwGO § 166, ZPO § 114, BeamtVG § 45, BayBeamtVG Art. 46
Redaktionelle Leitsätze:
1. Werden weitere Folgen eines anerkannten Dienstunfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt bemerkbar, begründen sie keinen Anspruch des Beamten auf Dienstunfallfürsorge, wenn er sie nicht innerhalb von zehn Jahren seit dem Unfall und innerhalb von drei Monaten, nachdem die Unfallfolge bemerkbar geworden ist, dem Dienstherrn meldet. Auf den an den Eintritt des Dienstunfalls anknüpfenden Fristbeginn ist es dabei ohne Einfluss, wenn der Beamte vor Ablauf der Ausschlussfrist den Zusammenhang eines Körperschadens mit einem Unfallereignis nicht erkannt hat und auch nicht erkennen konnte.
2. Von der Ausschlussfrist des § 45 Abs. 2 BeamtVG sind daher nicht nur solche Fälle erfasst, bei denen der Beamte Fürsorgeansprüche aus einem feststehenden Körperschaden auf ein Unfallgeschehen zurückführt, das er innerhalb der letzten zehn Jahre nicht als (Dienst-) Unfall gemeldet hat. Die Rechtsfolge des § 45 Abs. 2 BeamtVG tritt vielmehr auch in solchen Fällen ein, in denen der Beamte Fürsorgeansprüche aus einem feststehenden Körperschaden auf ein Unfallgeschehen zurückführt, das er fristgerecht als Unfall gemeldet hat und das sogar als Dienstunfall anerkannt worden ist, aber von dem tatsächlichen Bemerken des Körperschadens bzw. seiner Bemerkbarkeit ausgehend mehr als zehn Jahre zurückliegt.
Rechtliche Würdigung
Das Verwaltungsgericht München lehnte mit Beschluss vom 18. Dezember 2015 (Az. M 12 K 15.947) den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe ab, da sein Anliegen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Kläger, inzwischen im Ruhestand, hatte die Anerkennung zahlreicher weiterer Unfallfolgen dreier Dienstunfälle aus den Jahren 1972, 1980 und 1985 und die Zahlung eines Unterhaltsbeitrags verlangt.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG), in der bis zum 1. 1. 2011 geltenden Fassung, müssen weitere Unfallfolgen innerhalb von zehn Jahren ab Unfallereignis beim Dienstherrn angezeigt werden; danach sind sie unfallfürsorgerechtlich ausgeschlossen. Zudem gilt eine Dreimonatsfrist ab dem Zeitpunkt, in dem die neue Unfallfolge erstmals bemerkt wurde. Diese Fristen endeten für den Dienstunfall vom 15. September 1972 bereits am 15. September 1982, für den Unfall vom 26. April 1985 am 26. April 1995. Der Kläger meldete die Arthrose des rechten Acromioclaviculargelenks und psychische Beschwerden erst ab 2009, mithin weit nach Ablauf der zehjährigen Ausschlussfrist. Ein etwaiger Umstand, dass er den unfallbedingten Zusammenhang seiner Beschwerden erst später erkannt habe, ändert daran nichts: Wer die Frist versäumt, kann auch dann keine Unfallfürsorge mehr beanspruchen, wenn die Folge zuvor unentdeckt blieb.
Ferner vermochte der Kläger den erforderlichen Kausalzusammenhang nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Die von ihm vorgelegten arztlichen Atteste und Gutachten der Jahre 2012 bis 2014 stützten sich größtenteils auf Annahmen und Mutmaßungen über Mitverletzungen, die weder medizinisch objektiviert noch durch zeitnahe Befunde belegbar waren. Dagegen kam ein amtsärztliches Gutachten aus dem Jahr 2010 zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die meisten seiner Beschwerden auf degenerative Veränderungen zurückzuführen seien und nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Dienstunfällen stünden. Auch ein fachneurologisch-psychiatrisches Gutachten bestätigte keine unfallbedingten psychischen oder neurologischen Schädigungen.
Schließlich scheitert der Anspruch auf Unterhaltsbeitrag (Art. 55 BayBeamtVG) mangels einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 %. Die im ursprünglich anerkannten Dienstunfall 1972 festgestellte Schulterarthrose begründete lediglich eine MdE von 10 %, und alle weiteren, später diagnostizierten körperlichen und seelischen Leiden sind unfallunabhängig einzustufen und deshalb nicht für die Bemessung des Unterhaltsbeitrags heranziehbar.
Aufgrund der gesetzlichen Ausschlussfristen und des fehlenden Nachweises der Kausalität bieten die vom Kläger angestrebten Leistungsverpflichtungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war somit abzulehnen.