OVG Schleswig (2. Senat), Urteil vom 08.08.2024 – 2 LB 1/22
Anerkennung von Dienstunfallfolgen und Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen
Normenketten:
BeamtVG SH § 39; BeamtVG SH § 42; BeamtVG SH § 51 Abs. 3; VwGO § 108 Abs. 1; VwGO § 98; ZPO § 411; ZPO § 412
In dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig vom 8. August 2024 (Az. 2 LB 1/22) ging es um die Anerkennung nachträglich eingetretener Krankheiten als Dienstunfallfolgen und die Gewährung entsprechender Unfallfürsorgeleistungen nach dem Bayerischen Beamtengesetz Schleswig-Holstein (BeamtVG SH).
Die Klägerin hatte ursprünglich lediglich die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Folge eines Dienstunfalls und die Zahlung eines Unfallfürsorgebeitrags begehrt. Erst im Berufungsverfahren stellte sie den weitergehenden Sachantrag, auch die Heilbehandlungskosten und den Unterhaltsbeitrag nach den Vorschriften des Unfallfürsorgerechts gewährt zu bekommen. Das OVG stellte klar, dass ein solcher im Berufungsverfahren erstmals gestellter Antrag – trotz des allgemeinen Verbots neuer Anträge nach § 91 VwGO – zulässig ist, wenn das ursprüngliche Klageziel auslegungsbedürftig und auslegungsoffen war. Insbesondere bei anwaltlicher Vertretung reiche es aus, dass aus Klagebegründung, vorgelegten Bescheiden oder anderen Umständen eindeutig ersichtlich sei, dass die Klägerin eigentlich umfassende Unfallfürsorgeleistungen forderte (vgl. § 108 Abs. 1, § 88 VwGO; BVerwG, Beschl. v. 12.3.2012 – 9 B 7.12).
Unabhängig davon bekräftigte das OVG, dass die Anerkennung von Dienstunfallfolgen und die Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen formal zu trennen sind: Denn nicht jeder Dienstunfall begründet automatisch Anspruch auf Heilbehandlungskosten oder Unterhaltsbeitrag. Die Feststellung, dass eine Erkrankung durch den Unfall verursacht wurde, ist ein feststellender Verwaltungsakt gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG SH, der jederzeit mit Verwaltungsgerichtsklage angegriffen werden kann (§ 98, § 411 ZPO, § 412 ZPO).
Schließlich stellte das OVG heraus, dass für die Berechnung des Unfallunterhaltsbeitrags nach § 42 Abs. 6 BeamtVG SH die Bindungswirkung des zunächst feststellenden Verwaltungsakts fortbesteht: Änderungen im Gesundheitszustand, die eine neue Überprüfung rechtfertigen würden, dürfen im Unterhaltsverfahren nicht berücksichtigt werden, solange der erstinstanzliche Feststellungsbescheid nicht (teil-)aufgehoben ist. Damit wird garantiert, dass geklärte Dienstunfallfolgen und der daraus abgeleitete Unterhaltsanspruch nicht durch spätere medizinische Entwicklungen neu in Frage gestellt werden.