BGH: Keine Abänderung einer Umgangsregelung im Sorgerechtsverfahren
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass eine Umgestaltung einer bestehenden Umgangsregelung innerhalb eines Sorgerechtsverfahrens unzulässig ist. Maßgeblich ist der Wortlaut des § 1696 BGB, der die Abänderungsbefugnis stets auf gleichartigeEntscheidungen beschränkt. Damit muss sich eine Abänderung entweder auf eine vorherige Sorge- oder – in einem gesonderten Verfahren – auf eine Umgangsentscheidung beziehen.
Nach der gesetzlichen Systematik bilden Sorgerechts- und Umgangsverfahren eigenständige Verfahrensgegenstände. Während das Sorgerechtsverfahren (vgl. §§ 1671, 1666 BGB) überprüft, wem die Rechtszuständigkeit für einzelne Teilbereiche der elterlichen Sorge zukommt, regelt das Umgangsverfahren ausschließlich die konkrete Ausübung dieser Sorge und beschränkt damit gegebenenfalls die Befugnisse des Sorgeberechtigten, ohne jedoch den Sorge-status selbst anzutasten. Folgerichtig entfaltet eine Entscheidung aus dem einen Verfahren keine Bindungswirkung für den anderen Verfahrensgegenstand; der XII. Zivilsenat verweist insoweit auf seinen Beschluss vom 27. November 2019 – XII ZB 512/18.
Ebenso hat der Senat betont, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtsauf einen Elternteil nicht zwangsläufig die gerichtliche Anordnung eines Residenzmodellsnach sich zieht. Die sorgerechtliche Entscheidung erschöpft sich in der Zuweisung der Entscheidungsbefugnis, ohne automatisch eine bestimmte Betreuungsform festzuschreiben. Daraus folgt logisch, dass eine zuvor genehmigte oder vereinbarte Wechselmodell-Regelung ausschließlich in einem Umgangsverfahren angepasst werden kann.
Sollte eine auf das Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung künftig scheinbar in sachlichen Widerspruch zu einer bereits getroffenen Sorgerechtsentscheidung treten, ist dieser Konflikt im Einzelfall nach den Grundsätzen der inhaltlichen Folgerichtigkeit zu lösen (vgl. BGHZ 214, 31; Beschl. v. 27. 11. 2019 – XII ZB 512/18). Eine verfahrensübergreifende „automatische“ Sperr- oder Änderungswirkung besteht indes nicht.
Im konkreten Fall hat das Oberlandesgericht diese Dogmatik zutreffend umgesetzt und den Verfahrenskostenhilfeantrag der Mutter gleichwohl abgelehnt. Es fehlte an einem konkreten Rechtsschutzbedürfnis, weil bereits ein kurz zuvor ergangener Umgangsbeschluss das – sogar von ihr erwünschte – Wechselmodell verbindlich geregelt hatte. Der Bundesgerichtshof bestätigt, dass Verfahrenskostenhilfe nach § 76 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO nur zu bewilligen ist, wenn eine beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint. Wird – wie hier – eine abstrakte Grundsatzfrage verfolgt, ohne dass sich für den Antragsteller eine konkrete, gegenwärtige Rechtspositionverbessern ließe, fehlt es an diesem erforderlichen Rechtsschutzinteresse.
Aus BGH (XII. Zivilsenat), Beschluss vom 19.01.2022 – XII ZA 12/21
Vorinstanzen:
AG Döbeln, Entscheidung vom 03.12.2020 - 1 F 309/19 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 19.02.2021 - 21 UF 32/21 -