LG Regensburg (3. Zivilkammer), Endurteil vom 15.11.2023 – 31 O 725/19


Nachweis des Versicherungsfalls in der privaten Unfallversicherung ZPO § 286, § 287

 

Leitsatz:

Dem Versicherungsnehmer obliegt es darzulegen und mit dem Beweismaß des § 286 ZPO zu beweisen, dass er im Rahmen eines Unfallereignisses eine Gesundheitsbeeinträchtigung im Sinne einer Erstverletzung und eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit im Sinne des vereinbarten Versicherungsbedingungen erlitten hat. Weiter hat er – allerdings nur noch mit dem Beweismaß des § 287 ZPO– die Kausalität dieser Erstverletzung für den behaupteten Dauerschaden zu beweisen. (Rn. 12)

 

Nach den vorliegenden Versicherungsbedingungen stehen Invaliditätsleistungen nur zu, wenn der Versicherungsnehmer durch ein plötzliches, von außen einwirkendes Unfallereignis einerseits eine erste, körperliche Verletzung erlitten und andererseits daraus innerhalb eines Jahres eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit von mindestens 50 % entstanden ist. Die Klägerin trägt – nach dem strengen Beweismaß des § 286 ZPO – die Darlegungs- und Beweislast für beides und muss anschließend die Kausalität der Erstverletzung für den behaupteten Dauerschaden mit dem erleichterten Beweismaß des § 287 ZPO nachweisen (Rn. 12).

Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, am 10.12.2013 mit ihrem Kopf gegen eine Glastür geprallt zu sein, wodurch sie eine Schädelprellung, ein Schädel-Hirn-Trauma und eine axonale Hirnschädigung erlitten haben will. Sie leidet seitdem – so ihr Vortrag – an Kopfschmerzen, kognitiven Defiziten, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen und weiteren neurologischen Ausfällen, die eine Invalidität von mindestens 80 % begründen sollten.

Die Gerichts­gutachter haben zwar kognitive und psychische Symptome attestiert, sie stützten ihre Diagnosen jedoch alle auf eine isolierte, linksfrontal im Marklager lokalisierten Läsion, die in der konventionellen Bildgebung nicht sicher als Unfallfolge erkennbar war und lediglich mittels Diffusion-Tensor-Imaging (DTI) als traumatische Mikroblutung interpretiert wurde. Ein neutroriadiologisches Zweitgutachten sah diese Signalanhebung hingegen als unspezifische, auch bei gesunden älteren Personen häufige Marklagerveränderung ohne Krankheitswert, die durch den Unfall nicht hinreichend gesichert belegt sei.

Da bei der Klägerin weder eine dokumentierte Bewusstlosigkeit noch eine gesicherte bildgebende Erstverletzung nachgewiesen werden konnte, fehlt es bereits an der Erstverletzung im Sinne der Versicherungsbedingungen. Ohne diese ist eine Nachprüfung der dauerhaften Invalidität nicht möglich. Die weitergehende, auf Äußerungen zum Unfallmechanismus gestützte Diagnostik blieb insuffizient, weil sie ohne valide Bildbefunde und objektivierbare klinische Initialsymptome auskam.

Mangels Nachweises eines hirnorganischen Traumas und damit einer versicherten Erstverletzung hat die Klägerin den Unfall­versicherungsfall nicht bewiesen. Der Anspruch auf Invaliditätsleistung und Unfallrente ist daher vollständig abzuweisen, ebenso der daraus abgeleitete Erstattungsanspruch für außergerichtliche Anwaltskosten.