Notwendige Beurteilungsmaßstäbe bei einer Verbleibensanordnung in familiengerichtlichen Verfahren

Familienrecht

Notwendige Beurteilungsmaßstäbe bei einer Verbleibensanordnung in familiengerichtlichen Verfahren

 

In seinem Beschluss vom 4. November 2013 (I-3 Wx 98/13) hat das Oberlandesgericht Düsseldorf nochmals eindringlich klargestellt, dass das Familiengericht bei der Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Fremdunterbringung nach §§ 1666, 1666a BGB und § 1632 Abs. 4 S. 1 BGB streng an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 und Abs. 2 GG zu messen ist. Eine räumliche Trennung eines Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das elterliche Grundrecht dar und darf nur erfolgen, wenn das Kindeswohl andernfalls in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Bereich nachhaltig gefährdet wäre. Dies verlangt insbesondere eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung, die sowohl das Gewicht elterlichen Fehlverhaltens als auch die traumatisierenden Folgen einer Pflegefamilienunterbringung berücksichtigt.

In dem zu entscheidenden Fall hatten die Geschwister des im September 2012 kinderlos verstorbenen Vaters (Betroffene zu 1 und zu 2) die Auffassung vertreten, das kurz zuvor errichtete Ehegattentestament ihrer Eltern sei wegen Testierunfähigkeit der Mutter unwirksam, da diese an einer mittleren, auf vaskulären Hirn­erkrankungen beruhenden Demenz leide und bereits Verwirrtheitszustände sowie akustische Halluzinationen gezeigt habe. Das Nachlassgericht Wesel hat daraufhin – in Übereinstimmung mit dem OLG – ausgeführt, es gebe keine verlässlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Mai 2011 tatsächlich nicht mehr in der Lage war, die Tragweite ihrer letzwilligen Erklärung zu erfassen und frei von krankheitsbedingten Einflüssen zu entscheiden. Die beklagten Geschwister hätten trotz ausdrücklicher gerichtlicher Aufforderung keine ärztlichen Unterlagen oder konkrete medizinische Diagnosen vorgelegt, sondern lediglich auf eine vermutete “Abdrift in die Demenz” abgestellt. Deshalb habe das Nachlassgericht die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet und den Antrag der Testamentserbin stattgegeben.

Das OLG Düsseldorf bestätigte im vorliegenden Beschluss, dass Amtsaufklärungspflichten des Nachlassgerichts in dieser Konstellation schon deshalb nicht weiter gehen dürfen, als der konkreten Vermutung einer Demenz belastbare medizinische Anhaltspunkte entgegenstehen. Weder sei ein arztseitig dokumentierter Befund aufgetaucht noch hätten die Antragsteller angegeben, bei der Mutter ließen sich konkrete Symptome nachweisen, die auf ein gehirnorganisch bedingtes Verkennen der Testamentsinhalte schließen ließen. Eine Demenz mittleren Schweregrades allein rechtfertige nicht den Rückschluss auf eine Testierunfähigkeit. Erst wenn ein Erblasser nachweislich an einer solchen krankhaften Geistesschwäche leide, die sein Urteils- und Erinnerungsvermögen so stark beeinträchtige, dass er nicht mehr zwischen für und wider unterscheiden könne, sei eine fachärztliche Begutachtung erforderlich, um darüber hinaus die (fehlende) Einsichtsfähigkeit und die Willensfreiheit im konkreten Beurkundungsmoment festzustellen.

Mit diesem Beschluss hat das OLG Düsseldorf einmal mehr betont, dass in familiengerichtlichen wie in erbrechtlichen Freiwilligverfahren der Schutz der persönlichen Integrität und der Entscheidungsfreiheit des Betroffenen nicht hinter formelle Aufklärungspflichten zurücktreten darf. Eine räumliche Trennung von Eltern und Kindern oder die Unwirksamkeit eines Testaments wegen Demenz kann nur auf der Grundlage konkreter, hinreichender medizinischer Feststellungen erfolgen – bloße Verdachtsmomente genügen nicht, und der richterlichen Amtsermittlung sind enge Grenzen gesetzt.