Berufsunfähigkeitsgutachten bei psychischen Erkrankungen – Leitlinien, Methodik und aktuelle Rechtsprechung

Psychische Störungen wie Depressionen, Angststörungen oder Erschöpfungssyndrome sind inzwischen die häufigste Ursache für Anträge auf Berufsunfähigkeit. Jede dritte Frühberentung geht nach Angaben der Rentenversicherung auf ihr Konto. Damit Gutachter, Versicherer und Gerichte diese komplexen Fälle einheitlich bewerten können, wurden in den letzten Jahren gleich mehrere fachliche und rechtliche „Leitplanken“ eingezogen.


 

 

Leitfäden und Standards

Den Kern bildet der S2k-Leitfaden der DGPPN zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen. Er definiert vier Prüfschritte – von der Erfassung der Funktionsstörungen über Krankheitsverarbeitung und Aktivitäten bis zur Prognose – und verlangt eine systematische Beschwerdenvalidierung, um Über- oder Untertreibungen aufzudecken. Gutachter sollen klinische Interviews (etwa SKID-I/II), strukturierte Leistungstests und Fremdanamnesen kombinieren, bevor sie die berufliche Leistungsfähigkeit in Prozent ausdrücken. 


 

 

Rechtsprechung: wichtige Wegmarken


 

 

Methodische Schlüsselpunkte im Gutachten

  1. Mehrdimensionalität: Das Leistungsvermögen ergibt sich aus der Wechselwirkung von Symptomen, individueller Verarbeitung und Umweltfaktoren; reine Diagnoselisten reichen nicht mehr aus.
  2. Objektivierung: Neurokognitive Tests (z. B. TMT, d-2-R), Verhaltensbeobachtung und Fremdanamnese dienen der Plausibilitätsprüfung subjektiver Angaben.
  3. Prozentskala: Die berufliche Restfähigkeit wird in 10-Prozent-Schritten geschätzt; ab 50 % gilt die Person in den meisten Versicherungsbedingungen als berufsunfähig.
  4. Transparenz: Jede Annahme (etwa Leistungsprognose) muss auf Studien- oder Leitfadendaten verweisen, damit Gerichte den Gedankengang nachvollziehen können.