Versetzung eines Richters in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

DRiG § 71; BeamtStG § 26; SächsBG § 52

1. Ein Richter auf Lebenszeit im Landesdienst des Freistaats Sachsen kann nach § 71 DRiG, § 26 I BeamtStG, § 52 SächsBGgegen seinen Willen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden, wenn er innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate infolge Erkrankung keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass seine Dienstfähigkeit innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll hergestellt ist.

2. Diese Voraussetzungen sind nicht nur dann erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Dienstgerichts mit Sicherheit feststeht, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate unmöglich ist. Es genügt, dass die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit innerhalb dieser Zeitspanne nicht zu erwarten steht, sondern unwahrscheinlich ist und mit ihr nicht gerechnet werden kann. Dies ist anhand einer auf konkreten Tatsachen beruhenden Prognose zu beurteilen.

BGH, Urt. v. 16. 12. 2010 − RiZ(R) 2/10 (DienstG Leipzig)

 

Nach den bis zum 31. März 2009 geltenden Vorschriften können Lebenszeitrichter im Landesdienst des Freistaats Sachsen auf richterlichen Beschluss hin gegen ihren Willen in den Ruhestand versetzt werden, wenn sie innerhalb von sechs Monaten infolge Krankheit mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb weiterer sechs Monate voll dienstfähig werden. Diese Regelung findet sich in § 71 Deutsches Richtergesetz, § 26 Absatz 1 Beamtengesetz und § 52 Sächsisches Beamtengesetz.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16. Dezember 2010 (Az. RiZ(R) 2/10) klargestellt, dass es für die Bejahung einer solchen Versetzung nicht erforderlich ist, dass mit absoluter Sicherheit feststehe, die Dienstfähigkeit werde unmöglich wiederhergestellt. Vielmehr genügt, dass sie nicht zu erwarten ist, sondern unwahrscheinlich erscheint. Die Prognose muss auf konkreten Tatsachen beruhen und eine hinreichende Sicherheit bieten, dass der Beamte seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann.

Im dortigen Fall war eine Richterin am Arbeitsgericht seit dem 23. Januar 2007 dienstunfähig erkrankt. Eine Fachärztin für Psychiatrie attestierte eine reaktive Depression mit protrahiertem Verlauf, deren Heilungsaussicht ungewiss war. Nachdem mehrere amtsärztliche Gutachten und eine erneute ärztliche Untersuchung unmissverständlich ergeben hatten, dass eine Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate nicht zu erwarten war, beantragte die Justizverwaltung die Zustellung des Verfahrens beim Dienstgericht. Trotz mehrfacher Gelegenheit zur Stellungnahme behauptete die Richterin weiter, sie werde gesund. Das Dienstgericht für Richter am Landgericht stellte schließlich fest, dass sie dienstunfähig im Sinne des § 26 Absatz 1 Satz 2 BeamtStG in Verbindung mit § 52 SächsBG sei, und versetzte sie in den Ruhestand. Die hiergegen gerichtete Revision blieb erfolglos.

Wesentliche Punkte der Entscheidung sind:

  • Dienstunfähigkeit setzt nicht die Unmöglichkeit, sondern die Unwahrscheinlichkeit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit voraus.
  • Die Prognose beruht auf konkreten medizinischen Befunden und Gutachten, nicht auf abstrakter Spekulation.
  • Rechte des Betroffenen (Aufklärung, rechtliches Gehör, Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung) müssen gewahrt bleiben.

Diese Verfahrensregeln gewährleisten einen angemessenen Ausgleich zwischen den legitimen Interessen des Dienstherrn an einer verlässlichen Personalplanung und dem Schutzrecht des erkrankten Beamten auf Verbleib im Dienst, solange eine realistische Aussicht auf Genesung besteht.