Fachgutachten
Beschwerdenvalidierung (Aggravation, Dissimulation und Simulation)
Die bei der Begutachtung berichteten Beschwerden müssen grundsätzlich mit den unterschiedlichen zur Verfügung stehenden geeigneten Methoden validiert werden,um relevante „Verfälschungstendenzen“ zu identifizieren.
Zur Bedeutung der testpsychologischen Untersuchung bei der Diagnostik
Grundsätzlich stellt die testpsychologische Diagnostik einen wichtigen methodischen Zugang bei der Begutachtung dar, da multimethodale und -modale diagnostische Zugänge, die neben der Fremdbeurteilung (durch den Gutachter) auch die Selbstbeschreibung des zu Begutachtenden umfassen, besser geeignet sind, die komplexen Begutachtungsaufgaben, angemessen zu bearbeiten.
Psychologische Tests zeichnen sich in der Regel durch ihre Objektivität (das Ausmaß, in dem eine psychologische Messung bei dem gleichen Probanden unter den gleichen Ausgangsbedingungen bei unterschiedlichen Diagnostikern zu dem gleichen Ergebnis kommt), ihre Reliabilität (die Messgenauigkeit) sowie ihre Validität (misst der Test auch die Merkmale, die er zu messen beansprucht?) aus.
Kriterienorientierte Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit
Bei der Begutachtung der beruflichen Leistungsfähigkeit im Allgemeinen und bei der Begutachtung des Grades der Berufsunfähigkeit im Speziellen ist davon auszugehen, dass sich die Leistungsfähigkeit (Ressourcen und Einschränkungen) nicht direkt aus dem Erkrankungsbild, sprich der somatischen, psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen bzw. Störungen ergeben.
Bei der gutachterlichen Validierung der (beruflichen) Leistungsfähigkeit wird geprüft, ob und in welchem Ausmaß, die bei dem Betroffenen grundsätzlich (noch) verfügbaren Fähigkeiten die Umsetzung der beruflichen Leistungsanforderungen ermöglichen.
Der Begutachtung liegen unterschiedliche diagnostische Zugangsweisen bzw. Methoden zugrunde
- Die Diagnostik u. Differentialdiagnostik etwaiger psychischer Erkrankungen bzw. Störungen
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Die dezidierte Erörterung der sich hieraus ergebenden Psychopathologie,
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Die Validierung hiermit etwaig in Zusammenhang stehender psychosomatische Erkrankungen
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Die dezidierte biografische Anamnese sowie die fundierte Erhebungen vorgeschichtlicher beruflicher Verläufe (Berufsanamnese)
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Die systematische Erörterung hiermit in Zusammenhang stehender psychosozialen Längsschnittentwicklungsbezüge
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Die fundierte Erörterung der Art der Krankheitsverarbeitung,
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sowie zudem die Kriterien, die im engeren Sinne für die Validierung der beruflichen Leistungsfähigkeit von fachlicher Bedeutung sind (Aktivität, Partizipation)
Versicherungsrecht - Berufsunfähigkeitsversicherung
In unserem Institut werden sehr häufig psychologische Fachgutachten in Zusammenhang mit der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit bei psychischen Störungen erstellt. Diagnostische Methoden bei der Begutachtung liegen hierbei unterschiedliche diagnostische Zugangsweisen bzw. Methoden zugrunde. Zu diesen gehören: die Auswertung der Akten, das standarsierte Interview (biographische Anamnese, insbesondere auch die Berufsanamnese), die anamestische Exploration sowie die testpsychologische Untersuchung. Auf der Grundlage der Aktenvorbefunde werden die vorgeschichtlichen Erkrankungsbezüge ausgewertet sowie in Relation zu den Ergebnissen der aktuellen psychischen Ausgangslage im Hinblick auf die hierbei zu beurteilende berufliche Leistungsfähigkeit sachverständigerseits validiert.
Zum Begriff der beruflichen Leistungsfähigkeit
Aus psychologischer Sicht ergibt sich die berufliche Leistungsfähigkeit bei psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen/Störungen aus der erkrankungsbedingten Symptomatologie sowie zudem weiterer, hiermit in Zusammenhang stehender Einflussfaktoren, wie z.B. den individuellen Verarbeitungsprozessen oder Kontextfaktoren.
Die berufliche „Leistungsfähigkeit“ wird aus wissenschaftlicher Sicht im Sinne der International Classification of Functioning (ICF) als ein Konstrukt verstanden, das als Beurteilungsmerkmal das höchstmögliche Niveau der Funktionsfähigkeit angibt, das eine Person an Aktivitäten und Teilhabe an unterschiedlichen Lebensbereichen (Partizipation) zu einem gegebenen Zeitpunkt erreichen kann.
Wann liegt Berufsunfähigkeit vor?
Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte (falls vor 1961 geboren), deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Das Versicherungsvertragsgesetz regelt hierbei, ab wann man berufsunfähig ist. Die Versicherung zahlt den Versicherten immer dann eine Rente, wenn eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent von einem Gutachter diagnostiziert worden ist.
Definition nach § 2 der Allgemeinen Bedingungen
- Vollständige BU liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd (alternativ: mindestens 6 Monate außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und der bisherigen Lebensstellung entspricht.
- Teilweise BU liegt vor, wenn die in Absatz (1) genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich dauernd erfüllt sind.
- Ist die versicherte Person voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und der bisherigen Lebensstellung entspricht, gilt die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise BU.
Fachgutachterliche Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit
Bei der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit u.a. im Kontext des Versicherungsrecht sind wesentliche Begutachtungsprozesse zugrunde zu legen. Der Beurteilungsprozess hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit in Relation zur psychischen Ausgangslage umfasst unterschiedliche diagnostische Ebenen, die mit unterschiedlichen Methoden beurteilt werden müssen.
Validierung der beruflichen Leistungsfähigkeit bei psychischen Störungen bzw. Erkrankungen
Für die Bewertung der Leistungsfähigkeit ist die Herausarbeitung der bei dem Begutachteten verfügbaren psychischen und psychosomatischen Funktionen und Funktionseinschränkungen notwendig, da diese einen zentralen Einfluss auf die bei dem Begutachteten noch vorliegenden oder möglichen Aktivitäten zuläst und hierdurch eben ermöglicht wird, den noch verfügbaren Anteil der beruflichen Leistungsfähigkeit abzubilden bzw. den Anteil, welcher durch die psychische Erkrankung beeinflusst bzw. beeinträchtigt wird, zu objektivieren.
Diagnostische Verfahren im gutachterlichen Beurteilungsprozess bei der Validierung der beruflichen Leistungsfähigkeit in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen
Die im Kontext der gutachterlichen Validierung der beruflichen Leistungsfähigkeit u.a. ablaufenden Bewertungsprozesse unter Zugrundelegung hierfür entsprechend vorgesehener diagnostischer Verfahren erlauben auch die Festlegung einer Diagnose. Die Diagnosestellung ist hierbei an der ICD-10 (WHO, 2005 orientiert. Körperliche Erkrankungen und psychische Störungen sind gleichermaßen zu benennen. Diagnosen, die sich nicht an den ICD-10 Kriterien orientieren, sollten vermieden werden. Eine umfassende klinische Diagnostik mit Hilfe eines standardisierten klinischen Interviews (SKID, DIA-X o.ä.) erscheint nicht erforderlich, da der Begutachtungsschwerpunkt nicht auf eine umfassende Differentialdiagnostik abzielt, sondern auf der Beurteilung geminderter Leistungsfunktionen liegt. Psychologische oder psychodynamische Erklärungsmodelle der konkreten Störung sollten dann vorgenommen werden, wenn sie für die spezifische Problemstellung hilfreich und sinnvoll sind.